The Awakening
Was lange währt, wird endlich gut: Bedingt durch die Corona-Pandemie und die einsetzenden stetigen Lockerungen der entsprechenden Sicherheitsmaß-nahmen konnte die Verwirklichung eines Festivals in Augenschein genommen werden. Vorerst sollte ein Tagesfestival – quasi als Probelauf – vom Stapel gehen. Wäre es wie geplant ein 3-Tages-Festival geworden, so wäre es doch mit erheblichen Risiken verbunden: aufgrund der genannten Pandemie herrschte allgemeine Unsicherheit unter allen Beteiligten hinsichtlich der Besucherzahlen. Um nicht später auf enorme Unsummen festzusitzen, wurde ein «Probe-Festival» organisiert und die Tickets auf 999 Stück limitiert. Unter dem treffenden Namen «Hell over Halen – The Awakening» wurde das Kind in sehr knapper Zeit aus seiner Wiege gehoben.
Am Samstag, den 07.05.2022, war es nun soweit: Mit 11 Bands ist die Region wahrlich «erwacht». Um eine gewisse Akzeptanz in der Bevölkerung Halens zu erhalten, waren die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde eingeladen, sich ein Bild vom regen Treiben zu machen. Als jedoch Nachtblut ihr Bühnenblut auf der Bühne und Kleidung verteilte, kam so manche Skepsis auf, aber alle Beteiligten vergewisserten uns, beim nächsten Event wieder dabei zu sein.
Um 10 Uhr öffneten sich endlich die Pforten zum überschaubaren Festivalgelände und so manch ein Freund der harten Musik nahm eigens für diesen Tag eine Anreise von mehreren Hundert Kilometern auf sich, um seinen Idolen in der ersten Reihe abzufeiern. Insgesamt rund 350 zahlende Festivalbesucher ließen es sich nicht nehmen, der Geburt dieses Events beizuwohnen.
Los ging es um 12 Uhr mit der Berliner Metalcore-Band No Rest For Jane. Die geballte Frauenpower von Vokalistin Anna sowie harte und dennoch melodische Riffs mit tiefen Breakdowns sowie harmonischen Elementen war ein gelungener Auftrakt.
Die beeindruckenden Shouts ließen so manchen Besucher an Ex-Arch-Enemy-Leadsängerin Angela Gossow erinnern.
Nachfolgend starteten Saint Lilly ihr Set mit Metal der 80er, Grunge und Stoner Rock der 90er. Sie selbst bezeichnen diese Mischung als Heavy Rock – schwer dynamisch, riffig und authentisch klingend. So gab das Oldenburger Quartett, bestehend aus Jan Elmendorf (Gesang), Zanjo Zempel (Gitarre), Markus Korff (Bass) und Dirk Pyhel (Schlagzeug) ihre Songs mit der aktuellen EP «Take A Deep Breath» zum Besten.
Am frühen Nachmittag wurde es dann heimisch – zumindest, was den Dialekt betrifft: «De Winnewupps» (plattdeutsch für: «Die Maulwürfe»), welche sich 2014 gegründet haben, gaben ab 14 Uhr Vollgas auf der Bühne. Plattdeutscher Heavy Metal und somit die Fortführung eines heimischen Kulturgutes hat sich das Quartett auf die Fahne geschrieben und wusste auch nicht heimische Besucher von sich zu überzeugen. Und nach und nach wird es in den ersten Reihen vor der Bühne immer voller.
Fast schon ein Ur-Gestein der Szene lieferten im Anschluss mit ihrem groovigen Death Metal voll ab: Die 5er-Truppe Rapture mit über 25 Jahren Bühnenerfahrung haben mit ihren gewürzten und durchdachten Texten so gut wie keinen Nackenmuskel bei den Headbangern verschont.
Das Niveau der härteren Gangart bleibt weit oben: Die Bremer (Thrash-)Musikanten Clear Sky Nailstorm ließen kein Stein auf dem anderen. Mit geballter Feuerkraft gab das 2008 gegründete Quintett veredelten Thrash Metal zum Feinsten. Die leichten Bay Area- und Ruhrpott-Attitüden ließen ihre Einflüsse für sich sprechen.
Blubbernde Hammond Orgel, raue Gitarrenriffs, schwebende Melodien, flotter Hard Rock, welcher vom Stil der70er/80er Jahre inspiriert aber komplett eigenständig ist – dies trifft eindeutig auf Mount Atlas zu. Der Wechsel zwischen sphärischen Klängen und Doom Riffs, die so klingen, als seien sie in ebenso schweren Lederjacken gespielt worden, fanden eine große Begeisterung unter den Zuschauern. Obwohl die Band erst 2016 gegründet wurde, so kann sie dennoch auf einige Erfolge verweisen: Interviews, Reviews und Werbeanzeigen in allen relevanten deutschsprachigen Rock/Metal Magazinen, diverse Radiopräsenzen, Gigs in ganz Deutschland und Support für The Weight Dead Lord und The New Roses sprechen für sich.
Da Keyborder Christoph Ramke kurzfristig ausgefallen war, musste schnell Ersatz gefunden werden. Und dieser Ersatz war ein echter Hochkaräter: Hansi Kecker, welcher schon mit Szenegrößen wie Manowar und Zed Yago spielte, eignete sich binnen einer Woche (!!!) die gesamte Setlist an und eine gemeinsame Probe am Nachmittag genügte, um ein echtes Brett abzuliefern.
Darf es etwas härter sein? Immer! Der erste Headliner des Abends stand ab 19:30 Uhr am Start: Suicidal Angels aus Athen, gegründet 2001, legten sprichwörtlich die Bühne in Schutt und Asche.
Ihre Bekanntheit in der Metal-Szene kommt nicht von ungefähr: So hat das Quartett um Nick Melissourgos (Gesang/Gitarre), Gus Drax (Gitarre), Orpheas Tzortzopoulos (Schlagzeug) und Angel Lelikakis (Bass) über die Jahre bereits als Support von namenhaften Bands wie Rotting Christ, Onslaught, Belphegor, Darkest Hour, Kataklysm, Exodus, Death Angel und Kreator – um nur einige zu nennen – rund um den Globus gespielt. Auch beim «Hell Over Halen – The Awakening» konnte die Band auf eine breite Fanbase bauen, waren die ersten Reihen doch komplett gefüllt. So mancher Fan ließ seine Nackenmuskel unter Volllast zum Handbangen bewegen.
Der zweite Headliner an diesem Abend stand ab 21:30 Uhr in den Startlöchern: Die Dark-Metal-Formation Nachtblut aus dem Landkreis Osnabrück um Frontmann Askeroth alias Athanasios Toutziaridis brachte mit einigen martialisch wirkenden Bühneneinlegern so manchen Fan gehörig ins Schwitzen – keine Frage, die Reihen waren nun gänzlich gefüllt. Waren viele geladene ortsansässige BürgerInnen von einigen Showeinlagen sichtlich schockiert, so wurde aber allen schnell klar, dass es sich lediglich um die eigenwillige Kunst dieser Band handelte.
Der Gastauftritt von Tim «Tetzel» Schmidt, Frontmann der Death Metaller Asenblut beim Stück «Was ist den los mit dir?» rundete eine sehr lohnenswerte Show sehr gut ab. Als das Konzert vorbei war, sorgten die Jungs von Nachtblut noch für eine große Überraschung bei den Fans: Was bis dahin keiner geahnt hatte, das Quartett nahm sich spontan die Zeit, Autogramme und Fotos im Meet-and-Greet-Zelt zu geben. Und der geneigte Fan ließ sich natürlich nicht zweimal bitten.
Eben noch als Gastmusiker mit von der Partie, nun mit seiner eigenen Band auf dem Parkett: Tim «Tetzel» Schmidt (Gesang), Claus Cleinkrieg (Gitarre), Stanley «Stan Ro» Robertson (Gitarre), Sascha «Sash» Friße (Bass) und Maté «Balrogh» Balogh (Schlagzeug) bilden zusammen das Quintett Asenblut. Die Göttinger, welche sich 2007 gegründet haben, werden nicht selten mit der schwedischen Band Amon Amarth verglichen. Das Publikum war regelrecht in Ekstase als «die wilde Jagd» um «Berserker» Tim «Tetzel» Schmidt in voller Fahrt den hiesigen Acker des Festivalgeländes überrollte.
Als vorletzte Band des Abends enterte Sector gegen 0:45 Uhr die Bühne. Inspiriert von Bands wie Ministry und Rammstein mischt die Hamburger Industrial-Metal-Band groovende Metalriffs und archaische Vehemenz mit Gewaltsalven, Sirenen, Maschinenlärm und hypnotischen Synthies unter die Menge. Erbarmungslos ehrliche Texte legten sich als Salz in die Wunden der Gesellschaft. So wurden neben älteren Stücken auch neue Songs von der am 04. Mai erschienenen EP «Observation» zum Besten gegeben.
Die schon sichtlich erschöpfte Meute holte noch einmal alle Kraftreserven zusammen, um die aus dem Oldenburger Münsterland stammende Heavy-Metal-Formation Wild Riot um Frontmann André Wolframm abzurocken. Old School Metal wie zu den Zeiten der NWOBH-Welle haben sich die Jungs auf die Fahne geschrieben: epische Hymnen in den Stilen von Iron Maiden, Judas Priest, W.A.S.P. oder Saxon kamen hierbei voll auf ihre Kosten.